Die Indien-Koordinationsgruppe von Amnesty International beglückwünscht Rachna Dhingra aus Bhopal, Indien, zur Auszeichnung mit dem diesjährigen Blue Planet Award der Ethecon-Stiftung.
Die Ethecon (Stiftung Ethik und Ökonomie) ehrt Rachna Dhingra „für ihre Energie und ihr Engagement für Frieden, Gerechtigkeit und die Stärkung demokratischer Prinzipien“. Hervorgehoben wird insbesondere ihre Entschlossenheit, mit der sie sich für eine angemessene Entschädigung der Opfer der Bhopal-Gaskatastrophe von 1984 eingesetzt hat.
Zusammen mit Rachna Dhingra wird die (von ihrem Mann, Satinath Sarangi, gegründete) Sambhavna Trust Clinic in Bhopal ausgezeichnet, ein selbstverwaltetes und spendenfinanziertes Krankenhaus, an dem seit über 20 Jahren Überlebende der Gaskatastrophe von 1984 medizinisch behandelt und versorgt werden.
Rachna Dhingra ist auch bei Amnesty keine Unbekannte. Sie leitete die Delegation mit Überlebenden aus Bhopal, die im Jahr 2009 durch mehrere europäische Länder reiste, um an die Katastrophe von 1984 zu erinnern und die immer noch ungenügende Entschädigung der Opfer sowie die Bestrafung der Schuldigen einzufordern.
Die Schuldfrage ist bis heute nicht gerichtlich geklärt, ebensowenig die Frage der Dekontamination des Fabrikgeländes und die anhaltende Umweltbelastung der Überlebenden. Die Entschädigungsforderung an Dow Chemical (seit 2001 zu 100% Eigentümer von Union Carbide) ist unter Druck der Betroffenen von der indischen Regierung auf über eine Milliarde Dollar erhöht worden. Den Vorladungen vor indische Gerichte aber hat Dow (seit 2017 fusioniert mit DuPont) bisher keine Folge geleistet.
Im November 2019 ist Dow DuPont wieder vor ein Gericht in Bhopal geladen. Wie in früheren Fällen wird vermutlich kein Repräsentant des Unternehmens erscheinen.
Im Mai 2019 gab es eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag zur Menschenrechtslage in Indien, in der u.a. gefragt wurde: „Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, in Indien tätige internationale Unternehmen wie Vedanta Resources und Dow Chemical (Union Carbide) zur Beachtung indischen und internationalen Rechts anzuhalten und ggf. der Ladung vor indische Gerichte zu folgen?“ Die Antwort der Bundesregierung lautete: „Die Beachtung und Durchsetzung des indischen und internationalen Rechts in Indien liegt in der Verantwortung staatlicher indischer Stellen.“ (Juni 2019)
Unter diesen Voraussetzungen ist es nicht verwunderlich, dass es global agierenden Unternehmen immer wieder gelingt, Staaten und ihre gesetzlichen Regelungen gegeneinander auszuspielen und sich mit juristischen Tricks und politischer Einflussnahme dem Zugriff der Gerichte zu entziehen.
In einem Bericht unter dem Titel „Injustice Incorporated“ (2014) fordert Amnesty rechtliche und politische Veränderungen mit dem Ziel, dass in Fällen von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen ein deutlich besserer Zugang zur Justiz gesichert ist.
Um den nötigen Druck dafür auszuüben, kommt es auf die enge Zusammenarbeit von Betroffenen vor Ort und zivilgesellschaftlichen Organisationen auf nationaler und internationaler Ebene an. Aus diesem Grund ist die Verleihung des Ethecon-Preises an die Aktivist_innen aus Bhopal von allen zu begrüßen, die sich für die Durchsetzung von Unternehmensverantwortung weltweit einsetzen.
Für die Zähigkeit und Standfestigkeit im Kampf um Gerechtigkeit in Bhopal stehen Rachna Dhingra und ihre Mitstreiter_innen in der Bhopal Group for Information and Action, der International Campaign for Justice in Bhopal und dem Bhopal Medical Appeal. Ihre Auszeichnung ist auch als Appell an die internationale Solidarität zu verstehen, sie kann allen Engagierten für die Menschenrechte im Bereich der Wirtschaft zur Stimulierung dienen.
Die Preisverleihung findet am 23. November 2019 in Berlin statt.
Wann?
Samstag, 23.11.2019
14 Uhr bis 18 Uhr (Einlass ab 13 Uhr)
Wo?
Kulturbrauerei, Palais
Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin
Anmeldung zur Preisverleihung: Ethecon Awards 2019